Ich scheiss mich (fest) an 2

Autor: Clemens Haipl
Verlag: echomedia Buchverlag
Umfang: 208 Seiten

Kurzinformation zum Buch

Der Meister des Absurden schlägt erneut zu. In schonungsloser Häufung bringt Clemens Haipl eine neue Sammlung seiner für verschiedenste Zeitschriften verfassten Kolumnen zu Buche. Keine Alltagspeinlichkeit ist vor ihm sicher. Witzige Einfälle werden gejagt von aberwitzigen Assoziationen. Und das nicht nur in Worten, schließlich erwies sich der Kabarettist Haipl schon zu Mittelschulzeiten auch als begnadeter, weil Missfallen erregender Karikaturist. Also gibt’s dazu wieder jede Menge schräge Zeichnungen.

Leseprobe aus »Ich scheiss mich (fest) an 2«

FKK

Jetzt mal ehrlich: Wollen Sie mich wirklich nackt sehen? 
Eben, ich auch nicht. Also beantworte ich die Grundsatzfrage nach FKK Ja/Nein mit einem klaren „Nein“. Das hat nichts mit kulturell bedingtem Schamgefühl oder katholischem Schuldkomplex zu tun, die meisten Menschen sehen einfach besser aus, wenn sie verhüllt sind. Zumindest teilweise. Ein Plädoyer für die Burka als Must-have soll das nämlich nicht werden. Es ist auch nicht so, dass ich die Badezimmerfliesen einseife, auf dass sich meine sündige Blöße nicht darin spiegle – aber im todschicken Anzug in Schwarz gefalle ich mir einfach besser als im Geburtstagsanzug in Fleischfarbe. Und was für mich selbst gilt, darf ich wohl auch von anderen Menschen erwarten: anziehen, auf der Stelle! Photoshopretusche kann noch so verbreitet sein, im echten Leben und in Echtzeit funktioniert sie halt nicht. Jetzt sind schon angezogen die meisten Menschen keine Belohnung fürs Auge und der Beruf des Topmodels mit gutem Grund großzügig bezahlt – warum sollte ich mir also körperliche Defizite im Freibad anschauen wollen, wenn ich mein ästhetisches Empfinden sonst mit geschönten Erscheinungen aus Werbung und Medien bzw. Hochglanzpornos verwöhne? Ganz abgesehen davon: Wo stecken die Nackerpatzis ihr Kleingeld hin? („Nein, nein, nehmen Sie den Hunderter ruhig, behalten Sie das Wechselgeld.“) Die Sonnenbrille kann man zur Not in die Haare stecken – aber zum Beispiel der Autoschlüssel: Ich beschreibe jetzt nicht, wo man den in meiner Fantasie hinsteckt, wenn man keine Taschen am Leib trägt, aber vorstellen können Sie sich’s (nein, nicht in den Auspuff). Auch erschließt sich der tiefere Sinn einer nahtlosen Bräune für mich nicht ganz. Wofür muss man überall einen knackigen Teint haben? Vor allem dort, wo ihn keiner sieht? Ich gurgle ja auch nicht mit Selbstbräuner, um dann zu protzen: „Meine Zunge und mein Gaumen waren am Meer.“ Freilich: kindlich unschuldig wie die Eingeborenen auf der vielzitierten Karibikinsel, so wie Gott uns geschaffen hat … herrlich! Aber mich hat Gott nun mal mit Flip-Flops, Shorts und Fred-Perry-Leiberl erschaffen. Was soll ich machen? Außerdem bin ich nicht kindlich unschuldig und schon gar nicht auf einer Karibikinsel. Und unser aller Schöpfer hätte bestimmt ein schlechtes Gewissen, wenn er wüsste, wie ich darunter aussehe. („Aha, bei Adam hat das aber noch funktioniert. Muss mal die Baupläne aktualisieren.“) Ich gebe zu, niemand wird gezwungen, zum FKK-Strand zu gehen. Nicht einmal ich. Drum tue ich es auch nicht. Ich will das nicht sehen. Bäh! Und das versöhnt mich dann doch ein wenig. Kann und soll doch jeder machen, was er will. Von mir aus sollen sich die Leute in Skianzug und Moonboots in die Sonne legen (obwohl – jetzt, wo ich darüber nachdenke – ob mir das nicht auch gefallen könnte …?).

Wien weltweit

Auf Dauer wird es lästig: Wo immer man auch als Wiener hinkommt, überall fragen die Menschen bewundernd: „Wie macht ihr Wiener das nur? Warum seid ihr so erfolgreich?“, meist gefolgt von einem neidischen „Was würde die Welt bloß ohne Wiener tun?“. Und es stimmt schon, da braucht man gar nicht Bescheidenheit heucheln. Wien ist für Erfolg an sich das, was Paris für Baguette oder Rom für Weihrauch ist.
Nehmen wir ein x-beliebiges Beispiel: Sagen wir – weil sie gerade zufällig hier in der Redaktion steht – die Nähmaschine. Wer hat sie erfunden? Richtig, ein Wiener 
(Josef Madersperger, geb. 1768 in Kufstein, das damals noch zu Wien gehörte). Oder nehmen wir die Wurst. Sagen 
Sie irgendwo auf der Welt „Vienna Sausage“ und die „Aahs“ und „Oohs“ werden nicht enden wollend sein. Gut, jetzt bin ich aufgewärmt und ich habe noch Großes vor in der Marketingabteilung des Wiener Rathauses: Nehmen wir Graffiti (fällt mir gerade zufällig ein): Was oft fälschlicherweise dem amerikanischen Hip-Hopper verdankt wird, ist nicht weniger als eine urwienerische Erfindung (Joseph Kyselak, falls das jemand überprüfen möchte, wettete Anfang des 19. Jahrhunderts in Wien, dass ihn innerhalb von drei Jahren die ganze Monarchie kennen würde. Das hat er auch geschafft, indem er an allen möglichen und unmöglichen Plätzen seinen Namen eingeritzt und aufgemalt hat – ein echter Graffiti-Künstler eben).
Eigentlich wollten meine Eltern – damals, als ich ein Jüngling war – mit mir, meinen sechs Geschwistern und dem gesamten Gesinde samt Hauslehrer wahlweise nach Beverly Hills, Hawaii oder Dubai auswandern. Vater hatte einen hoch dotierten Job in Aussicht gestellt bekommen, Mutter hätte ein Verhältnis mit Julio Iglesias anfangen können und wir Kinder hätten die ersten und originalen Harry Potters, Teletubbies und Wickies werden können. 
Allein, wir blieben im Inland. Wir hatten Angst, anderswo zu stark um unsere Wiener Herkunft beneidet zu werden.
Arnold Schwarzenegger gibt sich nur deshalb als Amerikaner aus, weil es ihm peinlich ist, kein Wiener zu sein. Und Madonna ruft nicht zufällig Woche für Woche bei den Organisatoren des Donauinselfestes an, um sich einzuschleimen („Bitte, nur einmal! Wien ist sooo extrem lässig, as we say, echt!“ O-Ton, Madonna 2006). John F. Kennedy hätte gerne gesagt: „Ich bin ein Wiener“ – schlechte Berater haben ihm leider eingeredet, dass „Berliner“ einfacher auszusprechen sei. Abba sangen aus vollem Herzen „The Wiener takes it all“, die Beatles haben mit gutem Grund nie in Wien gespielt („Wien? Heimvorteil ist feig. Let it be, da tun wir lieber so, als seien wir aus Liverpool“, O-Ton John Lennon 1969) und bei allem gebotenen Respekt: Die Wahl der Location zur Entbindung fiel nur deshalb auf Bethlehem, weil Maria damals nicht genau hingehört und „Perchtoldsdorf bei Wien“ verstanden hat. 
Was soll man sagen? Kann halt nicht jeder aus Wien kommen.

Urlaubsmitbringsel

Urlaub ist Ausnahmezustand. Da tut man Dinge, die man im normalen Leben eher nicht tut: Man legt sich – Hautkrebs zum Trotz – halb nackt in die Sonne, bewundert ungenießbares Essen als einheimische Spezialitäten, preist tropische Affenhitze als südliches Klima, freut sich über präpotente Kellner ob ihres „spanischen Stolzes“. Das Allerschlimmste ist aber: Man kauft Sachen ein, die man im echten Leben nicht einmal geschenkt haben möchte. Wer will schon mit einem völlig lächerlichen Strohhut, auf dem in Regenbogenfarben „Tenerife“ gedruckt ist, durch die heimatliche Stadt gehen? Niemand. Und womit? Mit gutem Grund! In eben jenem Tenerife wurde ich zahlreicher Herren ansichtig, die allesamt wählen dürfen und nicht so wirkten, als ob sie kleine Kinder fressen. Aber sie trugen sehr lächerliche Strohhüte. Lächerlich, hässlich und völlig überteuert. Und sie haben sich nicht einmal dabei geniert. T-Shirts, Flip-Flops, Sonnenbrillen – die Liste der erlässlichen Urlaubsfehlkäufe ist eine nicht enden wollende. Weil eben Ausnahmezustand ist, man sich nicht beobachtet fühlt oder vielleicht vorübergehend naturblöd wird, kauft man im Urlaub seltsame Dinge. 
Davon leben ganze Wirtschaftszweige. Kitschige Souvenirs und für den Träger sehr demütigende Kleidungsstücke haben schon so manche Finca finanziert und dem einen oder anderen Olivenbauern einen schnieken Sportwagen vor die Türe gestellt. 
Jetzt wo ich ausgiebig Verachtung, Spott und Hohn verteilt habe, bin ich selbst dran: Selbstverständlich bin auch ich ein Mensch, der vor Urlaubsantritt entmündigt werden, dessen Kreditkarte eingezogen werden sollte. Voriges Jahr bin ich mit einer überkompletten Anglerausrüstung aus Spanien zurückgekehrt. Nicht dass ich jemals einen Fisch gefangen hätte – aber die Schwimmer, Gummiköder und Haken waren so schön bunt. Und irgendwie hatte ich das Gefühl gehabt, in Österreich nie so günstig an kreischend rosa Gummifische zu kommen wie in jenem Einkaufszentrum im Norden Spaniens. Im Nachhinein weiß ich, dass mein Leben nicht dramatisch anders verlaufen wäre, wäre ich nicht stolzer Besitzer von nicht weniger als 27 Gummifischen in allen Farben und Größen. Aber damals war ich sehr von der Notwendigkeit dieses Kaufes überzeugt.
Ich habe dann außerdem der schönen Frau an meiner Seite gedroht, ich könnte mir Bootschuhe (ja, die mit den weißen Sohlen) kaufen. Irgendwie passen die zu einem alten Mann und dem Meer. Sie hat das ein Jahr lang für einen meiner schlechten Scherze gehalten. Völlig richtigerweise hat sie auch argumentiert, dass ich damit wie ein spießiger WU- oder Jusstudent aussehen würde. Heuer schlich ich mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in den spanischen Sportgroßmarkt und stand bald grinsend vor der schönen Frau: „39 Euro. Aktion.“
Jetzt schaut sie meine Füße nicht mehr an und ich weiß nicht, ob ich an der WU oder Jus inskribieren soll.

Kaufen bei Amazon

Zurück zu Büchern Humor & Unterhaltung