Blutreigen

Autor: Ernst Hinterberger
Verlag: echomedia Buchverlag
Umfang: 256 Seiten

Kurzinformation zum Buch

Ein Fall für Trautmann 

Erneut Stress für den Trautmann: Erst wird in der Innenstadt ein ungarischer „Businessman“ mit unklarer Geschäftstätigkeit enthauptet aufgefunden; einige Zeit später ein gleichfalls auf diese Weise ermordeter Rumäne im Prater. Dazwischen wird in Simmering eine unauffällige Frau zerstückelt und in Mistsäcken verstaut; der Kopf fehlt. Wochenlang zerbricht sich Trautmann den Kopf: Treibt da draußen ein Psychopath sein Unwesen, der kopflos und ziellos mordet? Denn Verbindungslinien zwischen den einzelnen Morden lassen sich länger nicht finden. Erst als am helllichten Tag in der Venediger Au eine ältere Frau brutal erschossen wird, sieht Trautmann langsam klarer.

Leseprobe aus »Blutreigen«

Kapitel 7

Als Trautmann, Dolezal und Sporrer abfahren wollten, erschien plötzlich ein älterer Mann und fragte: „Und, meine Herren, wissen S’ schon, von wem die Teile sind?“

Als Sporrer verneinte und anmerkte, das müsse erst festgestellt werden, blähte sich der ältere Mann förmlich auf. „Aber ich weiß es“, sagte er. „Ich, meine Herren.“

Er zeigte auf seinen Hals und meinte: „Da lass ich mich einestechen, wenn ich unrecht hab!“

Trautmann rollte sich eine Zigarette und zündete sie an. Sagte paffend zu dem Mann: „Aha, und du Gscheiterl weißt, wer sie war. Wieso? Hast du sie vielleicht umgebracht und zerlegt und dann in die Mistkübeln eineghaut? Wer bist du denn überhaupt?“

„Ich bin der Albert Dobrowolny und wohn im Haus vis-à-vis. Ich hab beim Fenster abegschaut, wie ihr mit Horn und Trara kommen seids. Und da hab ich meinen Feldstecher genommen und, weil meine Augen nimmer die besten sind, durch ihn runtergeschaut. Wie ich den Oberkörper und die Tutteln gesehen hab, hab ich geglaubt, mich trifft der Schlag. Weil solche Mordstrümmer, hab ich mir denkt, das können nur die von der Rosi sein. Solche Sehenswürdigkeiten hat keine andere Frau, die ich kenn.“

„Also bist du sozusagen ein Tuttelexperte und kennst die von allen Frauen in Wien.“

„Nein, überhaupt nicht. Aber die von der Rosi kenn ich, weil die wie ich einmal in der Woche in die gemischte Sauna geht, und da muss ich sie ja sehen.“

Sporrer trat näher zu Dobrowolny und fragte ihn: „In welche Sauna?“

„In die am Gräßlplatz. Dort gehen wir ja alle hin. Und logisch kennt einer den anderen auch als Nackerten. Da hat ja keiner was an. Darum muss zumindest der Oberkörper der von der Rosi Prücklmayer sein. Die ist – oder war, weil s’ ja jetzt tot ist – eine Witwe, irgendwas über sechzig und hat manchmal was mit Männern gehabt, was durch die Bank jünger als sie und ausländische Zeitungsverkäufer waren.“

„Und Sie wissen auch, wo sie wohnt?“

„Hab ich des net gesagt? In dem Bau, vor dem wir da stehen. Auf der 14er-Stiege.“

Trautmann schrieb sich Namen und Adresse des Zeugen auf und Sporrer sagte: „Du und der Dolezal, ihr schauts euch jetzt einmal im Haus um. Und in der Wohnung von der Prücklmayer. Und ich fahr ins Koat zurück.“

„Machen wir“, sagte Trautmann.

Dann fuhr Sporrer weg und Trautmann und Dolezal gingen in den Baukomplex und zur Stiege 14, deren Eingangstür allerdings versperrt war.

Dolezal sah anhand der Namenstäfelchen auf dem Klingeltableau, dass Rosa Prücklmayer nicht nur auf Stiege 14, sondern auch auf Tür Nummer 14 wohnte. Obwohl er, wie Trautmann auch, dachte, dass Dobrowolny wohl recht mit seiner Vermutung hatte, klingelte er. Als sich niemand meldete, drückte er aufs Geratewohl bei einem anderen Namen, worauf sich eine Frauenstimme meldete und fragte, wer denn läute.

„Die Polizei“, sagte Trautmann. „Bitte lassen Sie uns herein.“

„Warum sind S’ denn da? Um was geht es denn? Ich hab mit der Polizei nichts zu tun. Ich heiß Grashofer – wollen S’ vielleicht zum jungen Gerasdorfer und haben Ihnen geirrt?“

„Nein“, sagte Dolezal, „wir wollen mit Ihnen reden. Aber nicht per Hausanlage. Lassen Sie uns rein und dann erklären wir Ihnen auch, um was es sich handelt.“

„Na, dann kommen S’ halt. Ich wohn auf Tür Nummer 8.“

Die Türverriegelung klickte und Trautmann und Dolezal betraten das Stiegenhaus. Als sie zur Wohnung Nummer 8 kamen, stand bereits eine junge Frau in der offenen Tür und verlangte: „Bevor wir reden, möchte ich Ihnere Ausweise sehen.“

Dolezal zückte seine kleine Mappe, klappte sie auf und hielt sie der Frau hin.

„Bezirksinspektor Dolezal vom Kriminalkommissariat Zentrum/Ost. Und der andere ist mein Kollege Chefinspektor Trautmann. Dürfen wir jetzt hinein?“

Die junge Frau gab den Weg frei und Trautmann und Dolezal gingen in das Vorzimmer.

„Also, dann kommen S’ weiter“, sagte die junge Frau und deutete auf eine offene Zimmertür, „und sagen S’ mir drinnen, um was es geht.“

Im Zimmer fragte Trautmann: „Sie haben einen jungen Gerasdorfer erwähnt. Warum?“

„Weil der einer ist, zu dem die Polizei öfter kommt. Und zwei Mal haben sie ihn auch schon mitgenommen. Warum weiß ich nicht, aber irgendwas wird er schon gemacht haben.“

Trautmann schaute auf den auf dem Tisch stehenden, mit Kippen gefüllten Aschenbecher. „Da wird, wie ich seh, geraucht. Darf ich mir auch eine anzünden?“ Er wartete die Antwort nicht ab, sondern begann sich eine Zigarette zu drehen.

„Es geht um die Frau Rosi Prücklmayer“, begann Dolezal. „Von Ihrer Stiege. Wir haben in den Containern vor Ihrem Bau Leichenteile gefunden.“

Die junge Frau wurde blass und stützte sich am Tisch ab. „Wieso denn Leichenteile?! Ja, um Gottes Willen, was denn für Leichenteile?!“

„Bis auf den Kopf alles, was zu einem Körper gehört. Und wir haben mit einem Mann geredet, der im Haus vis-à-vis wohnt und zu wissen glaubt, von wem die Körperteile stammen. Nämlich von der Frau Prücklmayer, wenn er recht hat.“

Die Frau setzte sich, sichtlich verstört. Sie deutete den beiden Beamten, sich auf zwei andere Fauteuils zu setzen, und zündete sich mit zitternden Händen eine Zigarette an. „Leichenteile, ich bitt Sie, das gibt es ja nicht! Wieso soll die Frau Rosi denn tot sein? Ich hab sie ja erst gestern gegen Abend noch beim Billa gesehen, wie sie einkaufen war. Gestern!“

Trautmann sagte beschwichtigend: „Jetzt tun S’ Ihnen beruhigen, junge Frau. Ganz sicher ist das ja noch nicht. Ob das wirklich die Frau Prücklmayer ist, das muss erst die Gerichtsmedizin feststellen.“

„Eben“, sagte Dolezal und fragte: „Also, Frau Grashofer … So heißen S’ doch?“

„Ja. Steht ja auf meiner Tür und gesagt hab ich es Ihnen auch, durchs Haustelefon.“

„Richtig. Also – was können Sie uns über die Frau Prücklmayer sagen? So ganz allgemein. Wie sich halt Hausparteien untereinander kennen. In einem Haus bleibt ja selten was geheim.“

„Na, eigentlich weiß ich nicht viel über die Prücklmayer. Sie ist eine rüstige Frau, Witwe und hat ab und zu einen Freund. Immer solche ausländischen Zeitungsverkäufer. Na, jeder nach seinem Gusto, ist ja nichts dabei, oder? Ja, und dann macht sie gerne Radtouren, ist freundlich und nett und liest gern Bücher über frühere Zeiten, die sie mir manchmal borgt. Über Kaiser und Könige und Künstler. Und sie sammelt auch alte Filmprogramme, die sie auf Flohmärkten kauft. Ja, und in die Sauna geht sie auch, in die gemischte. Aber nie nimmt sie da einen von ihren Freunden mit, weil die anderen, was mit ihr in der Sauna sind, Ausländer nicht gern sehen. Außerdem, hat sie mir gesagt, geht es die Saunaleut nichts an, mit wem sie ins Bett geht und was sie sonst noch macht. Das geht auch die Hausleut nichts an, darum kommen die Freund immer nur in der Nacht zu ihr, wenn alle anderen schon schlafen oder fernschauen.“

„Können Sie uns einen oder mehrere dieser Freunde beschreiben?“, fragte Trautmann.

„Nein. Die Tschuschen, ich mein, die Herren von anderswo“, verbesserte sie sich, „schauen ja alle mehr oder weniger gleich aus. Und außerdem hab ich ja nur einen, und den ganz flüchtig, gesehen, wie ich selber einmal in der Nacht heimkommen bin. Der … Na, vielleicht war der an die dreißig. Nicht groß und mit einem Bart auf der Oberlippe.“

Das war nicht sehr ergiebig. Trautmann und Dolezal bedankten sich und gingen zur Tür Nummer 14. Sie läuteten vorsichtshalber noch mal, aber wieder rührte sich nichts.

„Na, schauen wir, ob wir Glück haben“, brummte Trautmann. „Vielleicht ist die Tür nur zugefallen.“

Er zog seine E-Card aus der Tasche, schob sie zwischen Tür und Türstock und die Tür sprang auf. „Na, wer sagt’s denn.“

Die Tür war bloß zugedrückt oder zugefallen, jedenfalls nicht versperrt gewesen. Trautmann arbeitete oft mit seiner E-Card und behauptete dann, die Tür wäre nur angelehnt, also eh offen, gewesen.

Dolezal und Trautmann betraten die hübsch gestaltete Wohnung und schauten sich vorerst mal um.

Im Zimmer standen einige gerahmte Fotos. Auf einem waren ein Mann und eine dicke, lächelnde Frau abgebildet, auf den beiden anderen war nur die Frau, einmal auf einem Fahrrad, einmal in einem Bikini zu sehen. Die Brüste der Frau in dem knapp sitzenden Zweiteiler fielen sofort auf, sie waren riesig und wurden vom Oberteil nur unzureichend bedeckt.

„Das muss auf allen drei Fotos die Prücklmayer sein“, sagte Dolezal. „Der Vorbau ist überall derselbe. Auf dem einen Foto ist sie wahrscheinlich mit ihrem verstorbenen Mann zu sehen.“

„Wir nehmen das, wo sie im Bikini ist, mit, Burschi. Da ist ihr Gesicht besonders gut getroffen und es zeigt sie nicht als junge Frau, sondern so, wie sie wahrscheinlich jetzt ausgeschaut hat“, entschied Trautmann.

„Mein ich auch“, sagte Dolezal. „Mit dem können wir was anfangen. Auch für die Zeitungen und das Fernsehen. Alles andere lassen wir am besten, wie es ist. Drücken die Tür wieder zu und hauen ein Pickerl drüber. Genauer sollen sich die Burschen vom Tatort die Wohnung anschauen.“

Sie verließen die Wohnung, befestigten einen Kleber mit der üblichen Aufschrift an Tür und Türstock und gingen zu ihrem Pkw. Sahen dabei nur die Polizistin und die Leute von der MA 48 am Fundort, die Leichenteile waren schon fortgebracht worden.

Dann fuhren sie in die Ast Zentrum/Ost zurück und kauften sich auf dem Weg auf dem Karmelitermarkt in einer neuen Bude eine Currywurst, die aber gegen den gewohnten Pferdeleberkäs, wie Trautmann konstatierte, nur ein heißer Schas mit Quasteln war.

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