Jäger auf Hasenjagd

Autor: Fred Rumpl
Verlag: echomedia Buchverlag
Umfang: 248 Seiten

Kurzinformation zum Buch

Das weltberühmte, praktisch unverkäufliche Bild „Feldhase" von Albrecht Dürer wurde aus der Albertina in Wien geraubt. Detektiv Jakob Jäger hängt sich unverzüglich an den Fall. Er recherchiert in Wien, Prag und Triest, um dem Hasen auf die Spur zu kommen. Bald schon steht fest, dass der Weg zu dem Kunstwerk nur über das Motiv führt. Warum will jemand ausgerechnet dieses Bild besitzen? Was kann man damit anfangen, wenn man es doch vor den Augen der Öffentlichkeit verbergen muss? Welche Projektionen zieht es auf sich? Und was hat der Direktor der Albertina, immerhin Jägers Auftraggeber, mit der Sache zu tun? Manche Menschen sind offenbar sogar dazu bereit zu morden, um ein solches Kunstwerk zu besitzen. Fragen über Fragen für den jungen Schnüffler, der auf seiner rastlosen Suche dubiose Kunsthändler, arrogante Fälscher und völlig abgehobene Fanatiker aufspürt. In die Quere kommt ihm dabei auch Lisa, die verführerische Nichte des Direktors. Hinter der forschen jungen Frau verbirgt sich nicht nur ein verstörtes Wesen, sondern auch die Lösung des Rätsels.

Leseprobe aus »Jäger auf Hasenjagd«

... Der Tag ist kalt, blau und windig. Er geht los und spielt in Gedanken durch, was bisher über den Fall bekannt wurde: Der Raub ist mit Sicherheit zwischen 21 und 23 Uhr verübt worden. Der Zeitraum lässt sich aufgrund der vom Wachpersonal durchzuführenden Rundgänge (zu jeder vollen Stunde) eingrenzen. Es wird behauptet, das Wachpersonal habe seit langem überhaupt nur jeden zweiten Kontrollgang durchgeführt. Das kann bedeuten, dass der Feldhase schon seit zwei Stunden nicht mehr an seinem Platz hing, als sein Fehlen bemerkt wurde. Eine Menge Zeit, um abzuhauen, denkt Jakob und zieht sich den Schal enger um den Hals. In zwei Stunden ist man mit fast jedem Auto aus Schengenland draußen. Vorausgesetzt allerdings, man fährt in Richtung Osten. Aber auch viel Zeit, um das Bild irgendwo zu verstecken. Die Täter(innen?) haben offenbar blinden Alarm ausgelöst, bevor sie dann zugeschlagen haben. Dies kann das genervte Wachpersonal, das in Ruhe Karten spielen wollte, dazu veranlasst haben, die Alarmanlage einfach abzustellen.

Es ist davon auszugehen, überlegt Jakob, dass die Täter über ein Fenster im zweiten Stock in das Haus eingedrungen sind. Vermutlich waren es zwei, vielleicht auch drei, wenn einer im Auto auf der Straße unten gewartet hat. Und da keines der Fenster beschädigt war, könnte schon jemand während der Besuchszeiten (bis 18 Uhr) ein Fenster entriegelt haben. Vieles, kommt Jakob vor, als er in die Kärntner Straße einbiegt, die voll Touristen ist, oder doch zumindest einiges deutet darauf hin, dass jemand vom Personal beteiligt war.

Vielleicht ist es jemandem gelungen, sich irgendwo im Museum zu verstecken, um dann später die Täter hineinzulassen. Aber wo? Und wie wäre diese Person die neugierigen Objektive der Kameras umgangen, ohne im Keller auf einem Videoschirm aufzutauchen? Wie sind überhaupt die Täter an den Kameras vorbeigekommen, ohne gefilmt zu werden?

Manche Medien vertreten die Meinung, es müsse jemand aus dem Personal involviert (bestochen?) sein, andere wiederum schließen das eher aus. Wieder andere vermuten sogar eine Aktion des tschechischen Geheimdienstes, der das Bild wieder nach Prag gebracht haben könnte, wo es im sechzehnten Jahrhundert bereits war. In habsburgischem Besitz allerdings damals. Revanchistische Zeitungen, die aktuelle, politische Spannungen ausnutzen. Er wird ein paar Dinge klären müssen, den Tathergang betreffend.

Viel wichtiger aber ist es, hinter ein Motiv zu kommen. Was hat eigentlich der Direktor mit der Sache zu tun? Es gilt die Unschuldsvermutung, denkt Jakob, bis eine Schuld oder Mitschuld bewiesen ist. Auf der menschlichen Ebene. Auf einer pragmatischen Ebene muss die Schuld eines jeden, der in den Fall verwickelt ist, in Betracht gezogen werden.

Auf dem Gerüst ist niemand. Die Baumaschinen auf der Straße stehen verlassen da. Soll er hochklettern? Bestimmt sind die Eisenstangen saukalt. Und was soll er da oben jetzt schon noch finden? Die Spurensicherung hat sicher alles bis auf den letzten Quadratzentimeter untersucht. Was soll er überhaupt mit Indizien anfangen? Die Spur eines Haares aufnehmen und über Grenzen hinweg verfolgen, um dann festzustellen, dass die Person im Hintergrund eine Vollglatze hat und politisch immun ist? Polizistenkram. Wenn er den Hasen sucht, muss er den finden, der den Hasen um jeden Preis haben will. Er muss, gewissermaßen, demjenigen auf die Spur kommen, der ein solches Bild nötig hat. Auch der Direktor könnte so jemand sein. Auszuschließen ist es jedenfalls nicht. Vielleicht kommt diesmal der Auftrag vom Täter, der falsche Spuren legen will. Auch das wäre nichts Ungewöhnliches in diesem Metier.

Ein ständiges Kommen und Gehen von Besuchern aus aller Welt. Er stellt sich in die Warteschlange vor der Kassa, nachdem er Mantel und Schal abgegeben hat. Von der Kassierin erfährt er, dass die Besucherzahlen sich, so viel könne sie jetzt schon sagen, verdoppelt, wenn nicht gar verdreifacht haben! Weil nun offenbar viele die Kopie des Feldhasen sehen wollen, die sich früher nicht mal für das Original interessiert haben.

„Die Anziehungskraft des Verbrechens“, sagt Jakob, „die kriminelle Energie des Tatorts, davon lassen die Leute sich beeindrucken. Das ,Hier ist es passiert!‘. Eine ungefährliche Suspense, die dem Grau des Alltags etwas Farbe verleiht.“

„Und Sie?“, fragt die junge Frau. „Warum kommen Sie denn?“

„Ich möchte dem Hasen das Fell streicheln“, antwortet er, gibt dem Drängen des nächsten Besuchers nach und geht mit einem „Ciao“ weiter.

„Falls Sie heute so nah an ihn rankommen“, hört er noch in seinem Rücken.

Eine Stimme, der er auch länger zuhören würde. Eine Stimme, in der eine Art Sex mitschwingt, für die er immer schon empfänglich war. Eine Art Sex, die mit Verlust zu tun hat.

Jakob lässt sich vom Strom der Besucher mitnehmen, der ihn ohne Umweg dorthin führt, wo nun eine Kopie des geraubten Bildes hängt. Es scheint unmöglich, bis zur ersten Reihe vorzudringen, so dicht stehen die Besucher vor der Absperrung. Sie können sich fast nicht vom Objekt ihrer Neugier lösen. Die Menge rückt kaum vor. Soll er sich mit einer Ausrede vordrängen? Dann würde man ihn das Bild nicht in Ruhe betrachten lassen. Also stellt er sich brav an und holt sein Moleskine aus der Jacke, um sich mit Notizen die Zeit zu vertreiben.

Hinter den Namen Doktor Nemec hat er ein dickes Fragezeichen gesetzt. Den Namen hat er mit einer Wellenlinie unterstrichen, was er immer dann macht, wenn ihm die Rolle einer Person in einem Fall fragwürdig erscheint. Der Direktor wird ihm ein paar Dinge anvertrauen, die nur er weiß, hat er versprochen. Worum kann es sich da handeln? Etwas, das er bis jetzt weder dem Innenministerium, den Medien und der Kripo verraten hat. Dass der Direktor stark unter Druck steht, lässt sich nicht übersehen. Und dass er fürchtet, Jakob könnte etwas wissen, was nicht an die Öffentlichkeit darf.

Einen Augenblick lang leuchtet das Bild der Kassierin von vorhin in seiner Vorstellung auf. Er schmunzelt, angenehm berührt, und löscht es mit einem anderen Gedanken.

Endlich das Bild. Da steht ganz klein, dass es sich um eine Kopie aus dem siebzehnten Jahrhundert handelt: Aquarell und Deckfarben, Pinsel, mit Deckweiß gehöht, 250 x 225 mm. Jakob beugt sich ein wenig über die Absperrung und versucht sich zu konzentrieren. Das ist nicht leicht, wenn man von hinten und von der Seite bedrängt wird und einen Ellbogen in den Rippen und eine Handtasche im Rücken hat. Das Bild ist nicht signiert. War es damals üblich, Kopien nicht zu signieren? Höchste Zeit, dass er sich in die Materie einarbeitet.

Beinah rührend, wie er da sitzt, dieser Feldhase. Als hätte er sich soeben hingehockt, nach ein paar Hopsern, vielleicht noch nach rechts oder links schnuppernd, um sich zu vergewissern, wo es im Zickzack hingehen könnte, wenn die Rast gestört wird. Aber da sitzt er schon, findet den Platz gut, wie er ist, und sträubt sein Fell, bis die Haare so liegen, dass er sich wohlfühlt. Über den auffallend weit nach vor gelegten Vorderpfoten zuckt das kleine, dunkle Dreieck seiner Nase, und die Oberlippe mümmelt ein bisschen. Es sieht aus, als könnten jeden Moment gelbe Zähne zum Vorschein kommen. Seine langen Löffel bewegen sich unmerklich, und über die Hinterläufe zittert es leicht hinweg. Als würde er sich vielleicht doch gleich wieder erheben und das Weite suchen wollen … Aber wohin? „Wohin willst du?“, murmelt Jakob. „Wohin haben sie dich gebracht?“

Plötzlich spürt er, dass die beiden Besucher neben ihm nicht länger das Bild anstarren, sondern ihn. Aber er hat nicht mit dem Bild geredet, sondern mit einem Tier. Einem vor Leben pulsierenden Tier, kommt ihm vor. Dann hebt er die Arme über den Kopf und drängt aus der Menge hinaus, die sich gleich wieder hinter ihm schließt. Er hört verschiedene Sprachen, die er fast alle nicht kann, versteht aber, dass es irgendwie immer um den geraubten Dürer geht. ...

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